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Geht Altersdiskriminierung in der bAV? Ja, aber nicht zu viel!
Der Fall
Es ging um dienstzeitabhängige Leistungszusagen, bei denen sich die abgeleisteten Dienstjahre leistungssteigernd auswirkten.
Es wurden nach dem Tarifvertrag über betriebliche Altersversorgung ab dem 60. Lebensjahr absolvierte Beschäftigungsmonate gar nicht mehr bei der Leistungsberechnung berücksichtigt. Damit erhielten Arbeitnehmer, die bei ihrem Diensteintritt ein höheres Lebensalter hatten, deutlich weniger Betriebsrente bei gleicher Betriebszugehörigkeit.
Kaum war die Betriebsrente gezahlt, wurde wegen Diskriminierung wegen Alters geklagt. Die Arbeitgeber argumentierten hingegen mit der Kalkulierbarkeit und der Begrenzung der Aufwände für die betriebliche Altersversorgung.
Das Urteil
1.Der Pensionssenat sah zwar, dass die Regelung, die direkt an das Lebensalter anknüpft, eine unmittelbare Benachteiligung darstellt, allerdings sei diese Benachteiligung nach § 10 Satz 1 - 3 AGG sachlich gerechtfertigt. Denn "Die Festlegung einer Altersgrenze, bis zu der berücksichtigungsfähige Beschäftigungszeiten erbracht werden können, bewirkt, dass der Arbeitgeber den aus der Versorgungszusage resultierenden Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren und seine wirtschaftliche Belastungen besser einschätzen und begrenzen kann."
2.Der Pensionssenat würdigte dabei das freiwillige Engagement des Arbeitgebers und sieht diese Legitimation "erst recht" - wie im vorliegenden Fall - bei tarifvertraglichen Regelungen. Dem Arbeitgeber stehe nämlich bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu.
3.Doch hat das Bundesarbeitsgericht auch den Schutz der Arbeitnehmer im Auge: Deren legitime Interessen dürften nicht übermäßig beeinträchtigt werden. Dazu stellt der 3. Senat in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung folgenden Grundsatz auf: Die betriebliche Altersversorgung hat nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter hat. Eine altersabhängige Begrenzung der anrechenbaren Beschäftigungszeiten führt dazu, dass die hiervon betroffenen Arbeitnehmer für die ab dem Erreichen der Altersgrenze von ihnen geleistete Betriebszugehörigkeit keine betriebliche Altersversorgung erhalten. Die Konsequenz ist, dass eine Regelung, die zur Folge hat, dass während eines beträchtlichen Teils eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften erworben werden können, mit dem Entgeltcharakter der Betriebsrente nicht zu vereinbaren ist.
4.Im entschiedenen Fall schieden nach dem unbestrittenen Vortrag des Arbeitgebers dessen Arbeitnehmer überwiegend mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus. Aufgrund dessen durften die Tarifvertragsparteien im Rahmen der ihnen zustehenden Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und die betroffenen Interessen annehmen, dass die Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise den ganz überwiegenden Teil ihres Erwerbslebens vor dem 60. Lebensjahr absolviert haben. Dementsprechend haben die Tarifvertragsparteien auch geregelt, dass die Betriebsrente bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines Versorgungsfalles, nicht bezogen auf die Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern bezogen auf die Vollendung des 60. Lebensjahres, gekürzt wird. Ausgehend davon, dass ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasst, verbleibt den (wenigen) Arbeitnehmern, die über das 60. Lebensjahr hinaus tätig sind, durch eine Begrenzung der Leistungssteigerung der Betriebsrente auf die Vollendung des 60. Lebensjahres, damit immer noch der weitaus größte Teil ihres Erwerbslebens, um Versorgungsanwartschaften bei der Beklagten zu erwerben oder für ihre Altersversorgung anderweitig vorzusorgen.
Hinweis für die Praxis
Jede Einschränkung der versorgungsrelevanten Dienstjahre muss sich an den hier aufgestellten Grundsätzen des BAG messen lassen. Typischerweise muss eine Versorgungsanwartschaft im zugrunde gelegten Teil des Erwerbslebens erworben werden können. Fällt ein beträchtlicher Teil des Erwerbslebens für den Erwerb von Anwartschaften aus, ist das aus Sicht der Richter Altersdiskriminierung.