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Verletzte Aufsichtspflicht gegenüber 9-jährigem Kind bei Nutzung eines Fahrrads
Entfällt die Schadenersatzpflicht eines Minderjährigen, stellt sich die Frage, ob die Eltern wegen der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht haften können. Dazu hat das Landgericht Wuppertal mit Urteil vom 17.10.2017 - 16 S 19/17 entschieden, dass ein 9-jähriges Kind von seinen Eltern auf besondere Gefahren der Nutzung eines Fahrrads ohne Kettenschutz hingewiesen werden muss. Anderenfalls können die Eltern gemäß § 832 Abs. 1 BGB für die vom Kind verursachten Schäden haften.
Der Fall:
Ein neunjähriges Mädchen war mit ihrem Fahrrad gegen ein ordnungsgemäß geparktes Auto geprallt. Der Sachschaden betrug etwa 2.000 EUR. Der Unfall war passiert, weil die weit geschnittene Hose des Mädchens in die Fahrradkette bzw. den vorderen Zahnkranz geraten war. Das Mädchen blickte infolgedessen nach unten, verriss dabei das Lenkrad und geriet gegen den geparkten Pkw. Das Fahrrad verfügte nicht über einen Kettenschutz.
Die Entscheidung:
Der Klage des Geschädigten gegen die Eltern gab das Landgericht Wuppertal statt. Das Gericht bejahte einen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Beklagten, da diese ihre Aufsichtspflicht gegenüber dem Kind verletzt hatten.
Gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB ist derjenige, der kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Danach waren die Beklagten, deren Aufsichtspflicht als Eltern ihrer zum Zeitpunkt des Schadenseintritts neunjährigen Tochter sich aus §§ 1626, 1631 BGB ergab, zum Schadensersatz in dem geltend gemachten Umfang verpflichtet.
Die Haftung der Beklagten war nicht nach § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung tritt die Ersatzpflicht des Aufsichtspflichtigen für den vom Aufsichtsbedürftigen verursachten Schaden nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.
Die Voraussetzungen dieses Entlastungstatbestandes lagen nicht vor. Vielmehr war in Ansehung sämtlicher Umstände des Einzelfalles von einer Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten auszugehen.
Bei Minderjährigen bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des konkreten Kindes, dem örtlichen Umfeld, dem Ausmaß der drohenden Gefahren, der Voraussehbarkeit eines schädigenden Verhaltens sowie der Zumutbarkeit für den Aufsichtspflichtigen. Es kommt also darauf an, was verständige Eltern vernünftiger Weise in der konkreten Situation an erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern.
Die Beklagten hatten nach Überzeugung des Gerichts gegen ihre Aufsichtspflicht verstoßen, indem sie ihrer neunjährigen Tochter ein Fahrrad mit einem abmontierten Kettenschutz ohne besonderen Hinweis auf die damit verbundenen Gefahren zur freien Verfügung überlassen hatten, sodass diese unbeaufsichtigt mit offensichtlich nicht geeigneten Hosen im öffentlichen Straßenverkehr darauf fahren konnte.
Gerade bei jüngeren Kindern muss aufgrund der altersbedingt noch nicht umfassend vorhandenen Umsicht stets damit gerechnet werden, dass diese in einer derartigen Situation in Folge von Fahrfehlern mit ihrem Fahrrad ins Straucheln geraten oder sogar stürzen.
Die Beklagten konnten auch nicht nachweisen, dass der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden wäre. Denn es war zu unterstellen, dass das Kind nicht mit der zu weit geschnittenen Sport- bzw. Jogginghose auf dem Fahrrad gefahren wäre, wenn die Beklagten sie in dem geforderten Umfang belehrt hätten.
In derartigen Konstellationen zeigt sich im Übrigen der Stellenwert einer Privathaftpflichtversicherung.