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Altersvorsorge 
Dienstag, 05.03.2019

Bundessozialgericht sieht nicht immer einen Versorgungsbezug bei Direktversicherungen: Kinder und Lebensgefährten könnten profitieren

Der Fall:

Die 1978 geborene Klägerin ist bei der beklagten Kranken- und Pflegekasse pflichtversichert. Nach dem Tod ihres Vaters erhielt sie im April 2013 eine Kapitalleistung aus einer Direktversicherung ausbezahlt. Die Direktversicherung hatte der ehemalige Arbeitgeber des Vaters der Klägerin im Jahr 1989 im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossen. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand führte der Vater der Klägerin die Direktversicherung ab Mai 2009 in eigenem Namen fort. Das Bezugsrecht im Todesfall lautete auf die Klägerin. Sie war auch Alleinerbin. Von der Kapitalleistung entfielen 82.548,64 EUR auf die bis einschließlich April 2009 erworbene betriebliche Altersvorsorge.

Die Betriebskrankenkasse zog die Kapitalleistung für einen Zeitraum von zehn Jahren zur Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) heran. Nachdem die Klägerin ihre Einzugsermächtigung widerrufen hatte, mahnte sie die weitere Zahlung der Beiträge an und erhob Mahngebühren und Säumniszuschläge. Schließlich erklärte sie das Ruhen von Leistungsansprüchen. Die Klägerin kündigte das Versicherungsverhältnis und wechselte die Krankenkasse zu Mai 2014. Klage und Berufung blieben erfolglos.

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, die Heranziehung von Direktversicherungsleistungen zu Krankenkassenbeiträgen sei nur zulässig, soweit eine betriebliche Altersvorsorge den Charakter der Ersetzung oder Ergänzung einer gesetzlichen beitragspflichtigen Versorgungsrente habe. Die Witwe eines Arbeitnehmers befinde sich in Bezug auf die Vergleichbarkeit zur gesetzlichen Rente in einer anderen Situation als ein volljähriges erwerbstätiges Kind. Ihr Vater sei nicht mehr unterhaltspflichtig gewesen. Es bedeute eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung und einen Verstoß gegen Art. 6 GG, wenn die Leistungen aus der Direktversicherung der Beitragspflicht nur deswegen unterworfen würden, weil die Klägerin als Bezugsberechtigte angegeben worden sei, während sie als Alleinerbin ihres Vaters oder bei ihrem Vorversterben Erben entfernterer Ordnung nicht beitragspflichtig geworden wären.

Das Urteil:

Der Senat hat gab der Klägerin Recht und auf die Revision der Klägerin die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der beklagten Kranken- und Pflegekasse aufgehoben.

Einnahmen aus einer vom früheren Arbeitnehmer begründeten betrieblichen Altersversorgung in Form der Direktversicherung sind jedenfalls dann keine beitragspflichtigen, der gesetzlichen Rente vergleichbaren Versorgungsbezüge, wenn sie nach dem Tod des Arbeitnehmers an ein im Todesfall bezugsberechtigtes Kind ausgezahlt werden, das im Zeitpunkt des Versicherungsfalles bereits das 27. Lebensjahr vollendet hatte.

Für einen auf Hinterbliebenenversorgung gerichteten Versorgungszweck genügt es nicht, dass dem früheren Arbeitnehmer in dem von seinem Arbeitgeber abgeschlossenen Direktversicherungsvertrag vertraglich auch Leistungen der Hinterbliebenenversorgung zugesagt wurden und der Empfänger der Leistung über ein eigenes Bezugsrecht im Todesfall verfügt. Vielmehr muss die Leistung u.a. "zur Hinterbliebenenversorgung erzielt" worden sein. Handelt es sich bei der Hinterbliebenen um ein Kind i.S.v. § 48 SGB VI (Kind mit Anspruch auf eine gesetzliche Waisenrente), ist eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann nicht mehr zur Hinterbliebenenversorgung erzielt, wenn sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die nach § 48 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI vorgesehene Höchstaltersgrenze von 27 Jahren überschritten hat. Damit war vorliegend der Versorgungszweck bei Eintritt des Versicherungsfalles im Frühjahr 2013 nicht mehr gegeben.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundessozialgericht fügt seiner Rechtsprechung zum Versorgungsbezug eine weitere Facette hinzu. Es handelte sich offenkundig um eine alte Direktversicherung, die nach § 40b EStG a.F. pauschal versteuert wurde. Hier ist es steuerlich möglich, dass die Leistung frei vererbbar ist und nicht nur den sogenannten engen Hinterbliebenen zusteht.

Damit war überhaupt die Tochter, die keinen Anspruch mehr auf eine gesetzliche Waisenrente ("Versorgungsanspruch"), eine mögliche Bezugsberechtigte. In diesem Fall sah das Gericht keinen Versorgungszweck, da die Tochter aus Sicht des Gerichts nicht mehr versorgungsbedürftig war. Dazu wurde an die Voraussetzungen zur gesetzlichen Waisenrente angeknüpft.

Damit öffnet sich eine neue Tür in bestimmten Fallkonstellationen: Es stellt sich z.B. die Frage, ob in allen Fällen, wo auch gesetzlich keine Versorgung vorgesehen ist, d.h. z.B. bei nicht-ehelichen Lebensgefährten, auch kein Versorgungszweck i.S.d. § 229 SGB V vorliegt. Aber auch bei alten Direktversicherungen, wo beliebige Personen bezugsberechtigt sein können, sollte auf jeden Fall geprüft werden, ob nach dieser Rechtsprechung überhaupt ein Versorgungsbezug vorliegt.

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