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Recht 
Mittwoch, 03.04.2019

Umfang der Wartepflicht nach Unfall mit einer Warnbake

Der Fall:

Die Klägerin machte Ansprüche gegen die Beklagte aus einer Kaskoversicherung für ihr Fahrzeug geltend. Sie hatte der Beklagten telefonisch einen Unfallschaden an dem Fahrzeug angezeigt. Sie gab an, sie sei gegen 21.00 Uhr auf einer regennassen Straße in einer Rechtskurve ins Schleudern gekommen und von der Straße abgekommen. Dabei sei sie gegen eine Warnbarke auf der linken Fahrbahnseite gestoßen, wodurch ihr Fahrzeug an der linken Seite beschädigt worden sei.

Ein gegen die Klägerin geführtes Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt, nachdem die Wirtschaftsbetriebe gegenüber der Polizei mitgeteilt hatten, dass kein Schaden entstanden sei bzw. keine Kosten geltend gemacht würden.

Bereits zuvor hatte die Beklagte die Deckung wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung aufgrund eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort durch die Klägerin abgelehnt.

Die Klägerin behauptete, sie sei nach dem Unfall ausgestiegen und habe lediglich die Schäden am eigenen Fahrzeug festgestellt, und zwar wegen der Dunkelheit lediglich den teilweise abgerissenen Außenspiegel. Einen Fremdschaden habe sie nicht bemerkt und daran auch nicht gedacht. Deshalb sei sie unmittelbar darauf wieder nach Hause gefahren. Erst dort habe sie dann vor der heimischen Garage stehend die Kratzer an der Seite des PKW bemerkt.

Die Beklagte war der Meinung, sie sei wegen der Unfallflucht der Klägerin leistungsfrei, da an der Warnbarke ein Sachschaden in Höhe von 50 EUR entstanden sei.

Die Entscheidung:

Das OLG teilt die Auffassung der Klägerin, wonach eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gemäß den vereinbarten Versicherungsbedingungen zur Kfz-Versicherung (E.1.1.3 AKB 2015) vorlag. Danach darf der Versicherungsnehmer den Unfallort nicht verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei gesetzlich erforderliche Wartezeit zu beachten, wobei vorausgesetzt wird, dass die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 142 Abs. 1 StGB (unerlaubtes Entfernen von der Unfallstelle) vorliegen.

Eine Wartepflicht besteht aufgrund des Schutzzweckes des § 142 StGB von vorneherein dann nicht, wenn lediglich ein völlig belangloser Schaden vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn Schadenersatzansprüche üblicherweise nicht gestellt werden. Maßgebend ist der objektive Verkehrswert nach dem Eindruck zur Tatzeit unter Berücksichtigung gewöhnlicher Reparaturkosten.

Diese Grenze war hier jedoch überschritten. Aus den Lichtbildern des von der Beklagten vorgelegten Gutachtens der DEKRA war deutlich ersichtlich, dass die Warnbarke nicht lediglich völlig unerheblich, sondern spürbar in ihrer Substanz beschädigt wurde. Dass die Beschädigungen durch den Unfall mit dem PKW der Klägerin entstanden waren, stand angesichts der roten Streifen an ihrem PKW mit hinreichender Sicherheit fest.

Letztlich war deshalb ein Austausch des Schildes erforderlich, um den Schaden vollständig zu beseitigen. Ein solcher Austausch verursachte Kosten, die jedenfalls höher als 50 EUR waren. Abgesehen von den bloßen Materialkosten waren hier noch Kosten für die Arbeitszeit zu berücksichtigen.

Dem stand nicht entgegen, dass die Wirtschaftsbetriebe auf weitere Maßnahmen gegenüber der Klägerin verzichtet hatten, etwa weil der Aufwand ihnen schlicht zu groß gewesen sei, um einen Anspruch zu verfolgen.

Das OLG verkennt nicht, dass der entstandene Schaden nicht besonders groß war. Dies hatte, da die Grenze eines völlig belanglosen Schadens überschritten wurde, jedoch lediglich Auswirkungen auf den Umfang der Wartepflicht. Diese beurteilt sich nach den Maßstäben der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalles. Eine Wartepflicht besteht dann nicht mehr, wenn mit dem Erscheinen feststellungsbereiter Personen am Unfallort nicht gerechnet werden kann. Hier wäre angesichts der Örtlichkeit, der Tageszeit und der Schadenhöhe eine Wartezeit von 10 bis 15 Minuten ausreichend, aber auch erforderlich gewesen.

Abschließend weist das OLG darauf hin, dass die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin für die versicherungsrechtliche Betrachtung unerheblich war, denn die Einschätzung der Staatsanwaltschaft entfaltet hier keine Bindungswirkung.

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