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BGH: Wirksame Begrenzung der Kostenerstattung auf GOÄ in der PKV
Der Fall:
Der Kläger nahm den Beklagten, bei dem er eine private Krankenversicherung im Tarif 105 unterhielt, auf die Erstattung von Kosten für physiotherapeutische Behandlungen in Anspruch. Dem Vertrag lagen "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung" des Beklagten (AVB) zugrunde, bestehend aus "Teil I Musterbedingungen 1976 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 76)" und "Teil II Tarifbedingungen (TB/KK) gültig für die Tarife 100-480, BA 1 - BA 9, AWB und KHT". Darin hieß es in "§ 4 Umfang der Leistungspflicht" in Teil II (TB/KK) unter anderem:
"Gebühren und Kosten sind im tariflichen Umfang bis zu den Höchstsätzen der jeweils gültigen amtlichen ärztlichen Gebührenordnungen sowie den Verordnungen über Krankenhauspflegesätze in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West erstattungsfähig. Keine Leistungspflicht besteht für die Teile einer Liquidation, die diese Höchstsätze überschreiten oder nicht den Vorschriften der Gebührenordnungen bzw. Verordnungen über Krankenhauspflegesätze entsprechen. Das gilt auch, wenn durch Vereinbarung eine von diesen Verordnungen abweichende Regelung getroffen wurde. ..."
Der Kläger nahm seit 1999 physiotherapeutische und krankengymnastische Behandlungen in Anspruch. Etwa fünf Jahre später teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass auch bei sogenannten Heilmitteln, wozu insbesondere Physiotherapie-Anwendungen zählten, nur Kosten bis zu den Höchstsätzen der amtlichen Gebührenordnungen berücksichtigt würden. Für Physiotherapie-Leistungen nichtärztlicher Therapeuten werde zukünftigen Abrechnungen deshalb das Gebührenverzeichnis für die Angehörigen der Gesundheits- und Medizinalberufe (GebüHh) zugrunde gelegt, soweit nicht im Einzelfall die Höchstsätze der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) noch darüber lägen.
Der Kläger legte dem Beklagten in der Folgezeit weitere Rechnungen für Behandlungen zur Regulierung vor, die der Beklagte im Hinblick auf § 4 Teil II 1 a AVB nur noch teilweise erstattete.
Den Differenzbetrag machte der Kläger gerichtlich geltend. Er war der Auffassung, dass § 4 Teil II 1 a AVB als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden sei.
Die Entscheidung:
Der BGH hält die die streitbefangene Klausel für wirksam. Die in ihr enthaltene Einschränkung des Erstattungsanspruchs stuft er nicht als überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB ein.
Der Versicherungsnehmer wird laut BGH davon ausgehen, dass die Bezeichnung "100 %" nur den in diesem Tarif grundsätzlich erstattungsfähigen Prozentsatz der Aufwendungen angibt. Er wird nicht zugleich annehmen, dass damit jedes beliebige mit einem Behandler vereinbarte Honorar erstattungspflichtig ist, sondern damit rechnen, dass diesbezügliche Einzelheiten, insbesondere etwaige Begrenzungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt sind. Ein Überrumpelungseffekt scheidet damit aus.
Die Klausel erfasst nach Meinung des BGH auch physiotherapeutische Leistungen, die nicht von Ärzten erbracht werden. Der Wortlaut der Klausel beschränkt die Kostenbegrenzung nämlich nicht auf von Ärzten erbrachte Leistungen, sondern erfasst alle Gebühren und Kosten unabhängig von der Person des konkreten Behandlers und regelt insoweit allgemein eine Obergrenze der Erstattungspflicht. Voraussetzung für diese Obergrenze ist danach lediglich, dass es sich um Leistungen handelt, die der Sache nach in den genannten Gebührenordnungen und Verordnungen geregelt sind.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Dieser besteht darin, im Interesse einer Kostenbegrenzung die Erstattungspflicht der Höhe nach auch dann auf die Vergütung zu begrenzen, die ein Arzt für dieselbe Leistung von seinem Patienten verlangen könnte, wenn sie durch einen sonstigen Behandler - hier einen Physiotherapeuten - erbracht wird. Damit wird gerade für den Fall, dass dieser Behandler nicht an amtliche Gebührenordnungen gebunden ist, einem Erstattungsanspruch in beliebiger Höhe zulasten der Versichertengemeinschaft vorgebeugt. Dieser Sinn und Zweck ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch ohne ein bei ihm nicht vorauszusetzendes Wissen über Einzelheiten des Inhaltes der GOÄ erkennbar. Auch insoweit ist der Inhalt der Klausel deshalb für den Versicherungsnehmer nicht überraschend.
Abschließend unterstreicht der BGH, dass der Umstand, dass der Beklagte im Rahmen der früheren Erstattungspraxis keine Abzüge an den Rechnungen vorgenommen hat, auch aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nicht auf einen Willen zur Abänderung der vertraglichen Regelungen schließen lässt. Ein solches Verhalten lässt sich vielmehr naheliegend dahin deuten, dass dem Beklagten die Überschreitung vertragsgemäß geschuldeter Leistungen zunächst nicht aufgefallen ist.