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BGH zum Anstellungsvertrags-Risikoausschluss in der Rechtsschutzversicherung
Der Fall:
Der Kläger begehrte aus einer Rechtsschutzversicherung die Freistellung von Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte war vom Versicherer als Schadenabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung beauftragt.
Dem Versicherungsvertrag lagen die ARB 1975 zugrunde. Versichert war u.a. der Familien- und Verkehrs-Rechtsschutz für Lohn- und Gehaltsempfänger, der die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen umfasste. Gemäß § 4 Abs. 1 d ARB bezog sich der Versicherungsschutz indessen nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen "aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen".
Der Kläger war bei einer GmbH beschäftigt. Im April 2014 schloss er mit dieser einen neuen Vertrag ab, der folgende Präambel enthielt:
"Der Arbeitnehmer ist seit dem 01.12.2013 ... als Leiter Produktmanagement/Einkauf, Mitglied der Geschäftsleitung für den Arbeitgeber tätig. Es ist beabsichtigt, den Arbeitnehmer im Laufe des Geschäftsjahres 2014 in die Geschäftsführung des Arbeitgebers zu berufen. Im Hinblick auf die Berufung des Arbeitnehmers in die Geschäftsführung soll bereits jetzt der bestehende Dienstvertrag einvernehmlich aufgehoben und durch den vorliegenden Geschäftsführerdienstanstellungsvertrag ersetzt werden..."
Die Vertragsbestimmungen sollten teilweise ab dem Zeitpunkt der Berufung des Klägers in die Geschäftsführung der GmbH und teilweise unabhängig hiervon gelten.
Zu der beabsichtigten Berufung des Klägers in die Geschäftsführung kam es nicht. Vielmehr wurde dem Kläger im Jahr 2015 mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gedroht. Er wurde von unternehmerischen Entscheidungen ausgeschlossen und aus der Geschäftsleitungsrunde ausgeladen.
Der Kläger beauftragte daraufhin eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Die Beklagte lehnte das Begehren nach Deckungsschutz mit der Begründung ab, dass die Sache nach § 4 Abs. 1 d ARB vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sei.
Die Entscheidung:
Nach Auffassung des BGH stand dem Kläger der geltend gemachte Freistellungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer zu. Die Streitigkeit zwischen dem Kläger und der GmbH war vom Versicherungsschutz umfasst, da der Kläger rechtliche Interessen aus einem bedingungsgemäßen Arbeitsverhältnis wahrgenommen hatte.
Kennzeichnend für ein Arbeitsverhältnis ist nach landläufigem Verständnis, dass der Arbeitnehmer als Gegenleistung für eine fremdbestimmte Arbeit, bei der er den Weisungen seines Arbeitgebers unterliegt, Lohn oder Gehalt bezieht. Die Tätigkeit des Klägers stellte laut BGH auch unter Geltung des neuen Vertrages von April 2014 ein bedingungsgemäßes Arbeitsverhältnis dar, weil der Kläger für die ihn beschäftigende GmbH weisungsgebunden tätig war.
Dem Kläger war unter Geltung des neu gefassten Anstellungsvertrages im Zusammenhang mit der Kündigungsandrohung der GmbH - mithin bei Eintritt des Versicherungsfalles - der bisherige Verantwortungsbereich entzogen worden. Er musste fortan mit seinem Nachfolger das Zimmer teilen, diesem seine Aufgaben übergeben und mit ihm gemeinsam Kundentermine zur Übergabe der Kontakte wahrnehmen. Zudem war der Kläger von unternehmerischen Entscheidungen ausgeschlossen und aus der Geschäftsleitungsrunde ausgeladen worden. Daraus ergab sich, dass nach der maßgeblichen tatsächlichen Ausgestaltung der Beschäftigung des Klägers seine Weisungsgebundenheit im Sinne eines Arbeitsverhältnisses fortbestand.
Der Risikoausschluss des § 4 Abs.1 d ARB griff nicht ein. Denn dieser Ausschluss ist nicht schon dann anwendbar, wenn ein Versicherungsnehmer - wie hier der Kläger - mit einer ihn beschäftigenden juristischen Person über Rechte und Pflichten aus einem Vertrag streitet, dem die Annahme zugrunde liegt, dass der Versicherungsnehmer zu einem späteren, zwischenzeitlich verstrichenen Zeitpunkt gesetzlicher Vertreter der juristischen Person werden würde und der daher für diesen Fall bereits Regelungen enthält.
Nach seinem Wortlaut erfordert der Risikoausschluss die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen. Die Klausel knüpft den Risikoausschluss mithin in erster Linie an die Stellung eines Vertreters einer juristischen Person und nicht an den Inhalt seines Anstellungsvertrages. Sie setzt damit voraus, dass derjenige, dessen rechtliche Interessen wahrgenommen werden, gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person geworden ist.
An der fehlenden Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 d ARB änderte laut BGH auch der Umstand nichts, dass der zwischen dem Kläger und der GmbH abgeschlossene Vertrag in seiner Präambel als "Geschäftsführerdienstanstellungsvertrag" bezeichnet wurde. Der Ausschluss des Versicherungsschutzes hängt nämlich nicht davon ab, welche Begriffe die Parteien des Anstellungsvertrages verwenden, sondern richtet sich nach der objektiven Sachlage.