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BGH: "Stammrecht" in BU unterliegt auch nach VVG-Reform der Verjährung
Der Fall:
Die Klägerin nahm den Beklagten aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auf Befreiung von der Beitragszahlungspflicht für eine fondsgebundene Rentenversicherung in Anspruch. Sie unterhielt bei der Beklagten eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, in deren Besonderen Bedingungen (BB-BUZ) es hieß:
"Wird die versicherte Person nach Ablauf der Karenzzeit von 3 Jahren und während der Dauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig, so sind Sie in voller Höhe von der Beitragszahlungspflicht für die Hauptversicherung und die eingeschlossenen Zusatzversicherungen befreit. ... In den ersten drei Versicherungsjahren besteht Versicherungsschutz, wenn die versicherte Person infolge eines Unfalls berufsunfähig wird, der sich nach In-Kraft-Treten der Zusatzversicherung ereignet hat und die Berufsunfähigkeit innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist ... . Der Anspruch auf Beitragsbefreiung entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Der Anspruch auf Beitragsbefreiung erlischt, wenn der Grad der Berufsunfähigkeit unter 50 % sinkt, ... wenn die versicherte Person stirbt oder bei Ablauf der vertraglichen Leistungsdauer."
Am 01.02.2009 erlitt die Klägerin einen Skiunfall, aufgrund dessen sie bedingungsgemäß berufsunfähig wurde. Im Mai 2010 stellte sie einen Leistungsantrag, den die Beklagte im Oktober 2010 ablehnte. Einen weiteren, aufgrund anderer Erkrankungen im September 2014 gestellten Leistungsantrag, lehnte die Beklagte im März 2015 ab.
Mit der im Oktober 2016 erhobenen Klage beantragte die Klägerin festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie beginnend ab März 2009, hilfsweise ab Januar 2012, solange sie bedingungsgemäß berufsunfähig sei, längstens jedoch bis zum 31.05.2035 von der Beitragspflicht für die Rentenversicherung zu befreien. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.
Die Entscheidung:
Der BGH entschied, dass der Gesamtanspruch (das Stammrecht), der dem Versicherungsnehmer einer selbstständigen oder als Zusatzversicherung abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung aus einem Versicherungsfall zusteht, auch nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts 2008 der Verjährung unterliegt.
Wurde der Leistungsanspruch abgelehnt, bedeutet dies, dass die dreijährige Verjährung spätestens mit dem Schluss des Jahres der Ablehnung, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB beginnt. Werden innerhalb der Verjährung unter Berücksichtigung der Hemmungstatbestände die Ansprüche nicht gerichtlich geltend gemacht, so verjährt der Leistungsanspruch.
Maßgeblich stellt der BGH bei seiner Entscheidung auf den besonderen Inhalt des Leistungsversprechens ab, das der Versicherer in der Berufsunfähigkeitsversicherung ausspricht. Der Versicherer verpflichtet sich dazu, nicht lediglich eine einmalige Versicherungsleistung zu erbringen, sondern längstens bis zum Ablauf der vertraglich bestimmten Leistungszeit so lange fortlaufend zu leisten, wie der den Versicherungsfall auslösende Zustand andauert.
So lag es auch hier. Nach § 1 Abs. 3 BB-BUZ entsteht der Anspruch auf Beitragsbefreiung mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Er erlischt erst, wenn der Grad der Berufsunfähigkeit unter 50 % sinkt, wenn die versicherte Person stirbt oder bei Ablauf der vertraglichen Leistungsdauer (§ 1 Abs. 4 BB-BUZ).
Zum Schutz des Versicherungsnehmers sieht § 174 Abs. 1 VVG vor, dass sich der Versicherer von einer Leistungszusage nur unter besonderen Voraussetzungen lösen kann. Abweichungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers sind ausgeschlossen (§ 175 VVG).
Die Möglichkeit der Verjährung gilt unabhängig vom Gegenstand der Versicherungsleistungen, seien es Rentenzahlungen oder - wie hier - die Befreiung von der Verpflichtung zur Beitragszahlung. In beiden Fällen hat der Versicherungsnehmer im Sinne von § 194 Abs. 1 BGB das Recht, vom Versicherer etwas zu verlangen.
Der Gesamtanspruch (das Stammrecht) des Versicherungsnehmers ist Grundlage der Verpflichtung des Versicherers, wiederkehrende Einzelleistungen zu erbringen. In diesem Sinne folgen die Ansprüche auf Einzelleistungen aus dem Stammrecht, weshalb der Versicherer nach Eintritt der Verjährung des Stammrechts berechtigt ist, Einzelleistungen zu verweigern.
Dass dieses Stammrecht der Verjährung unterliegt, ist laut BGH interessengerecht. Denn es würde den Versicherer unbillig belasten, sich Jahre nach einer Leistungsablehnung noch mit einem für abgeschlossen gehaltenen, angesichts des Zeitablaufs typischerweise nur noch unter Schwierigkeiten aufklärbaren Versicherungsfalles auseinandersetzen zu müssen.
Die Verjährung des Stammrechts aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ist - so der BGH - auch nicht unzumutbar für den Versicherungsnehmer. Diesem stehen Möglichkeiten zur Hemmung der Verjährung zur Verfügung (etwa die Klage auf künftige wiederkehrende Leistungen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 258 ZPO).
Die Verjährung des Stammrechts nimmt ihm auch nicht insgesamt seine Rechte aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern nur im Hinblick auf den zu spät verfolgten konkreten Versicherungsfall. Unabhängig von der Stammrechtsverjährung besteht der Versicherungsvertrag fort. Tritt ein weiterer Versicherungsfall ein, erwirbt der Versicherungsnehmer ein neues Stammrecht.