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Schadenversicherung 
Mittwoch, 08.01.2020

BGH: Erläuterung zum Umfang einer Widerrufsbelehrung

Der Fall:

Die Parteien stritten um die Rückabwicklung einer fondsgebundenen Rentenversicherung. Am 18.12.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer Rentenversicherung mit Wirkung zum 01.01.2009. Vor der Unterschriftszeile hieß es im Antrag:

"Liegt der Versicherungsbeginn vor Ablauf der 30-tägigen Widerrufsfrist, bin ich damit einverstanden, dass der Versicherungsschutz mit dem Versicherungsbeginn einsetzt (wenn dies nicht gewünscht ist, bitte streichen)."

Vertragsbestimmungen, insbesondere die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und die Verbraucherinformation nach § 7 VVG, erhielt der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht.

Die Beklagte übersandte ihm mit Schreiben vom 05.01.2009 den Versicherungsschein und weitere Unterlagen, insbesondere die AVB und die Verbraucherinformation. Auf der zweiten Seite der Verbraucherinformation befand sich folgende fettgedruckte Widerrufsbelehrung:

"Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform widerrufen. ... Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

Die Widerrufsfrist beginnt, wenn Ihnen als Versicherungsnehmer der Versicherungsschein, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Versicherungsbedingungen sowie die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1, 2 VVG in Textform vollständig mitgeteilt worden sind und Sie in deutlicher Form über das Widerrufsrecht, den Fristbeginn, die Dauer und die Rechtsfolgen des Widerrufs belehrt worden sind.

Widerrufsfolgen: Der Versicherer hat die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Beiträge nicht zu erstatten, wenn Sie Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen haben. Sie haben, sofern Sie zugestimmt haben, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, im Falle eines rechtzeitigen Widerrufs nur Anspruch auf Erstattung bereits gezahlter Beiträge für die Zeit nach Zugang des Widerrufs beim Versicherer. Wir erstatten Ihnen auch einen eventuell vorhandenen Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG. Haben Sie keine Zustimmung erteilt oder beginnt der Versicherungsschutz erst nach Ablauf der Widerrufsfrist, sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Beiträge erstatten wir Ihnen unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs."

Der Kläger zahlte sodann die monatlichen Prämien im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 1. Januar 2016. Am 24. November 2015 erklärte er den "Widerspruch/Rücktritt/Widerruf gegen das Zustandekommen des vorgenannten Versicherungsvertrages gemäß §§ 5a, 8 VVG a.F. bzw. §§ 8, 9, 152 VVG n.F." und sprach hilfsweise die Kündigung des Vertrages aus. Die Beklagte akzeptierte lediglich die Kündigung und zahlte dem Kläger zum Abrechnungsdatum 01.01.2016 einen Rückkaufswert in Höhe von 14.432,33 EUR aus.

Der Kläger nahm die Beklagte auf Rückzahlung sämtlicher gezahlter Prämien zuzüglich Nutzungen abzüglich des Rückkaufswertes, insgesamt 5.350,86 EUR in Anspruch.

Die Entscheidung:

Der BGH entschied, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungsprämien und Herausgabe der von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus der fondsgebundenen Rentenversicherung zustand. Der Kläger hatte seine auf den Abschluss des Versicherungsvertrages gerichtete Vertragserklärung nicht fristgerecht innerhalb von 30 Tagen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 152 Abs. 1 VVG widerrufen. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 VVG beginnt die Widerrufsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 VVG (Nr. 1) und eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs (Nr. 2) zugegangen sind.

Der Versicherungsvertrag war rechtswirksam zustande gekommen. Für die Wirksamkeit der Einigung über den Abschluss eines Versicherungsvertrages ist es unerheblich, ob der Versicherer die in § 7 Abs. 1 Satz 1 VVG bestimmten Pflichten erfüllt hat. Die Widerrufsfrist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 VVG beginnt auch dann mit dem Zugang der Widerrufsbelehrung und der weiteren dort genannten Unterlagen, wenn der Versicherer - wie hier - entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 VVG dem Versicherungsnehmer nicht vor Abgabe von dessen Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen und die weiteren Informationen mitgeteilt hat.

Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung war formal ordnungsgemäß und auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Widerrufsfrist des Klägers war mithin im Zeitpunkt des Widerrufs am 24.11.2015 abgelaufen.

Grundlegend äußerte sich der BGH zu der Frage, ob eine Widerrufsbelehrung nach § 8 VVG auch über die Folgen einer fehlerhaften Belehrung informieren muss. Laut BGH ist davon auszugehen, dass nach Sinn und Zweck der Belehrung eine solche weiterführende Belehrung nicht notwendig. Vielmehr würde diese die Gefahr einer Überfrachtung und Unübersichtlichkeit mit sich bringen.

Ferne spreche der Wille des Gesetzgebers gegen ein solches Erfordernis. Denn in der ab dem 11.06.2010 eingeführten Musterwiderrufsbelehrung (der streitige Vertrag stammte aus dem Jahr 2009) findet sich laut BGH kein Hinweis auf ein solches Belehrungserfordernis. Die Musterbelehrung kann demnach als rechtlich unbedenkliche Empfehlung des Gesetzgebers schon für die Zeit vor dem 11.06.2010 Verwendung finden, jedenfalls aber sind Rückschlüsse aus der Musterbelehrung auch für die Zeit vor deren Einführung erlaubt, weil keine Anhaltspunkte vorliegen, dass der Gesetzgeber mit dem Muster von der bisherigen Rechtslage abweichen wollte.

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