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BGH: Umfang der Streupflicht auf dem Parkplatz eines Supermarktes
Die Grundsätze der Räum- und Streupflicht auf Parkplätzen gelten unabhängig davon, ob der Parkplatz öffentlich oder privat betrieben wird, und unabhängig davon, ob es sich um einen Kundenparkplatz handelt oder nicht. Das geht aus einem Urteil des BGH vom 02.07.2019 - VI ZR 184/18 hervor.
Der Fall:
Die Klägerin machte gegen die Beklagten Schadenersatzansprüche aufgrund eines Glatteisunfalles geltend. Die Beklagte zu 1 betrieb einen Lebensmittelmarkt, dessen Parkplatz in erster Linie für ihre Kunden bereitgestellt, jedoch auch von Anwohnern genutzt wurde, die dort ihre Fahrzeuge - auch über Nacht - stehen ließen. Die Beklagte zu 1 hatte den Beklagten zu 2 mit der Ausführung des Winterdienstes auf dem Parkplatz beauftragt.
Die Klägerin behauptete, an einem Dezembermorgen hätten Minusgrade und allgemeine Glätte geherrscht. Sie habe gegen 8.15 Uhr ihren Pkw auf einer nahe des Einganges des Marktes gelegenen markierten Stellfläche des Parkplatzes abgestellt, um im Markt einzukaufen. Im Bodenbelag des Parkplatzes habe sich in der Nähe ihres Pkw eine Vertiefung befunden, in der sich Wasser gesammelt habe, welches über Nacht gefroren sei. Auf der so entstandenen Eisfläche sei sie nach dem Aussteigen aus ihrem Fahrzeug ausgerutscht und dabei mit der linken Gesichtshälfte auf den Asphalt gestürzt. Beide Beklagten hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. An der Unfallstelle hätte gestreut werden müssen. Dies war unstreitig nicht geschehen.
Die Entscheidung:
Der BGH wies die Schadenersatzklage ab. Er weist zunächst darauf hin, dass auch bei allgemeiner Glättebildung keine uneingeschränkte Räum- und Streupflicht besteht. Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles.
Entstehung, Umfang und Maß einer Streupflicht richten sich danach, was zur gefahrlosen Sicherung des Verkehrs erforderlich ist und was dem Verkehrssicherungspflichtigen zumutbar ist. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Streupflicht einen öffentlichen oder privaten Parkplatz betrifft oder ob es sich um einen Kundenparkplatz handelt oder nicht.
Bei Anwendung dieser Maßstäbe waren die Beklagten im Ergebnis selbst im Falle allgemeiner Glättebildung nach Auffassung des BGH nicht verpflichtet, die Sturzstelle im Bereich der markierten Stellflächen am Tage des Unfalles der Klägerin zu streuen.
Der Grad der von Glättebildung im Bereich der markierten Stellflächen eines Parkplatzes ausgehenden Gefahr ist regelmäßig als eher gering einzustufen, weil die Wageninsassen ihn nur beim Ein- und Aussteigen betreten müssen und dabei am Fahrzeug Halt finden können. Deshalb ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass ein Parkplatz so bestreut wird, dass bereits beim Aussteigen aus jedem Fahrzeug abgestumpfter Boden betreten werden kann.
Diese Gefahr wurde hier laut BGH nicht maßgeblich dadurch erhöht, dass der Parkplatz (auch) den Kunden des Lebensmittelmarktes dienen sollte.
Richtig ist zwar im Grundsatz - so der BGH -, dass die sich aus dem Zweck der Verkehrseröffnung ergebenden besonderen Gefahren den Umfang der Verkehrssicherungspflicht beeinflussen können. Daher ist es auch zutreffend, bei der Bestimmung des Umfanges der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Lebensmittelmarktes hinsichtlich seines Kundenparkplatzes zu berücksichtigen, dass dieser in der Erwartung angelegt wurde, die bequeme Parkmöglichkeit werde potenzielle Kunden zum Besuch des Marktes veranlassen.
Das Räumen und Streuen der markierten Parkstellflächen ist hierzu aber regelmäßig nicht erforderlich. Denn es ist den Kunden zumutbar, ihr Fahrzeug bei winterlichen Wetterverhältnissen in diesem Bereich so abzustellen, dass durch Räumen und Streuen der Fahrfläche ein hinreichend gefahrloses Verstauen von Einkäufen im Heck des Fahrzeuges sichergestellt werden kann.
Es handelte es sich im Streitfall um eine große Parkfläche, auf der ein ständiger Fahrzeugwechsel stattfand, wobei zwischen den parkenden Fahrzeugen ein maschinelles Streuen nicht möglich war. Eine kontinuierliche Kontrolle und gegebenenfalls händische Bestreuung war den Beklagten hier aufgrund des damit verbundenen hohen Aufwandes nicht zumutbar.
Die Beklagten waren auch nicht verpflichtet, bei allgemeiner Glättebildung einmalig vor Eröffnung des Marktes den Bereich der markierten Stellflächen zu streuen. Ob eine solche Pflicht für Kundenparkplätze besteht, richtet sich ebenfalls nach den örtlichen Gegebenheiten und sonstigen Umständen des Einzelfalles. Hier wurde der Parkplatz der Beklagten zu 1 nicht nur von ihren Kunden, sondern zudem von Anwohnern genutzt, die ihre Fahrzeuge dort - auch über Nacht - abstellten. Daher war vor der Markteröffnung nicht gewährleistet, dass die Parkstellflächen frei waren und mit zumutbarem Aufwand gestreut werden konnten.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beklagte zu 1 sei zur Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht gehalten gewesen, durch eine nächtliche Sperrung des Parkplatzes und Abschleppen etwaiger verbliebener Fahrzeuge ein maschinelles Streuen auf der gesamten Parkplatzfläche zu ermöglichen, teilte der BGH nicht. Damit würde der Umfang der Verkehrssicherungspflicht überdehnt.