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Mittwoch, 04.03.2020

BGH: Hohe Anforderungen an eine Vertragsanpassung durch BU-Versicherer

Der Fall:

Der Kläger verlangte von dem beklagten Versicherer, eine im Wege der Vertragsanpassung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG nachträglich in seine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aufgenommene Ausschlussklausel wieder aus dem Vertrag herauszunehmen und sämtliche durch die nachträgliche Vertragsanpassung eingetretenen Änderungen rückgängig zu machen.

Gemäß Antrag vom 30.04.2009 hatte der Kläger bei der Beklagten einen kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen. Versicherungsbeginn war der 01.05.2009. Der Versicherungsschein wurde am 11.05.2009 ausgestellt.

Der Vertragsschluss war mithilfe eines für die Beklagte tätigen Versicherungsvertreters erfolgt. In dem Antragsformular wurden die Fragen nach Krankheiten, Funktionsstörungen, Beschwerden und Behandlungen in den letzten fünf Jahren sowie nach (auch ambulanten) Operationen und stationären Aufenthalten in den letzten zehn Jahren, einschließlich der Frage nach "Unfälle[n] (unerheblich sind einfache, folgenlos verheilte Knochenbrüche ohne Gelenkbeteiligung)" verneint.

Tatsächlich hatte der Kläger im November 2008 eine Fraktur am linken Wadenbein erlitten, aufgrund der er vom 12.11. bis zum 16.11.2008 stationär behandelt worden und in der Zeit vom 10.11.2008 bis 13.01.2009 arbeitsunfähig erkrankt war. Hiervon erfuhr die Beklagte im Rahmen der Leistungsprüfung wegen einer anderen Erkrankung des Klägers, die in den Jahren 2013 bis 2015 zu Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung führte.

Mit Schreiben vom 23.12.2014 schloss die Beklagte in die Versicherung rückwirkend ab deren Beginn eine besondere Vereinbarung ein, die sämtliche Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit vom Versicherungsschutz ausschloss, deren Ursache die Unfallverletzung am linken Außenknöchel des Fußes oder nachgewiesene Folgen dieses Leidens bildeten. Zur Begründung berief sie sich auf eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht des Klägers.

Der Kläger meinte, ihm könne eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung nicht zur Last gelegt werden und die Beklagte sei daher auch nicht zu einer Vertragsanpassung berechtigt. Er habe dem Versicherungsvertreter gegenüber korrekt angegeben, im November 2008 eine Wadenbeinfraktur links erlitten zu haben und deshalb auch in stationärer Behandlung und krankgeschrieben gewesen zu sein. Nach seinem damaligen Kenntnisstand habe es sich um einen komplikationslosen und verheilten Bruch ohne Verletzung des Sprunggelenks gehandelt. Der Versicherungsvertreter habe ihm gesagt, die Fraktur müsse unter diesen Voraussetzungen nicht angegeben werden. Darauf habe er sich verlassen.

Die Entscheidung:

Der BGH vertrat die Auffassung, dass ein Recht der Beklagten zur Vertragsanpassung nach § 19 Abs. 4 VVG bereits deshalb nicht bestehe, weil der Kläger seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit schon objektiv nicht verletzt habe.

Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG, auf die die Fristenregelung in § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG verweist, entstehen nur dann, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit verletzt, dem Versicherer die ihm bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung bekannten Gefahrumstände anzuzeigen (§ 19 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VVG). Daran fehlte es hier, denn dem Kläger war zum Zeitpunkt der Antragstellung der von der Beklagten im Antragsformular erfragte gefahrerhebliche Umstand einer Gelenkbeteiligung an seinem Knochenbruch nicht bekannt.

Die vom Gesetz als Anzeigepflicht bezeichnete Obliegenheit des Versicherungsnehmers nach § 19 Abs. 1 VVG setzt positive Kenntnis von einem gefahrerheblichen Umstand voraus.

Diese positive Kenntnis des Versicherungsnehmers gehört nach der Senatsrechtsprechung zum objektiven Tatbestand der Anzeigeobliegenheit, den der Versicherer zu beweisen hat. Denn die Obliegenheit, dem Versicherer bestimmte Umstände oder Tatsachen anzuzeigen, setzt stets voraus, dass der Versicherungsnehmer Kenntnis von diesen Umständen oder Tatsachen hat. Fehlt ihm diese Kenntnis, läuft die Anzeigeobliegenheit ins Leere. Schon objektiv kann der Anzeigepflichtige sie nicht verletzen, denn es gibt nichts, worüber er nach seinem Kenntnisstand seinen Versicherer aufklären könnte.

So lag der Fall hier. Der Kläger war bei Antragstellung davon ausgegangen, eine Gelenkbeteiligung habe bei seiner im November 2008 erlittenen Fraktur nicht vorgelegen.

Der insoweit beweisbelasteten Beklagten war es nicht gelungen, das diesbezügliche Vorbringen des Klägers zu widerlegen.

Ein Versicherungsnehmer verletzt seine Anzeigepflicht nicht, wenn er einen Umstand nicht angibt, der ihm aufgrund von Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Fahrlässige Unkenntnis vermag mithin die fehlende Kenntnis eines anzeigepflichtigen Umstandes nicht zu ersetzen.

Nicht maßgeblich war ferner, ob sich die dem Kläger von seinem Hausarzt vermittelten Informationen im Nachhinein als objektiv unzutreffend, jedenfalls aber als unvollständig erwiesen hatten. Denn das Recht des Versicherers zur Vertragsanpassung knüpft nicht lediglich an die objektive Sachlage, d.h. das Vorliegen bestimmter Gefahrumstände an, sondern erfordert, wie sich aus § 19 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VVG ergibt, jedenfalls eine objektive Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit des Versicherungsnehmers.

Dies aber setzt gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG schon im objektiven Tatbestand die Kenntnis des Versicherungsnehmers von dem jeweils anzeigepflichtigen Umstand voraus.

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