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Kfz-Handel- und Handwerksversicherung: Nur beide roten Kennzeichen am Fahrzeug garantieren Deckung
Der Fall:
Der Kläger war Betreiber eines Autohandels. Er nahm den beklagten Versicherer auf Freistellung von Forderungen Dritter aus Sachschäden an deren Pkw in Anspruch.
Der Kläger hatte eine Kfz-Handel- und -Handwerkversicherung bei der Beklagten abgeschlossen. Der Versicherungsschutz umfasste die Kfz-Haftpflichtversicherung für nicht zugelassene Fahrzeuge des Klägers, wenn diese mit dem amtlich abgestempelten roten Kennzeichen versehen waren.
Ein Kunde, der sich für ein Fahrzeug aus dem Verkaufsbestand des Klägers interessierte, wollte eine Probefahrt mit dem Fahrzeug durchführen, ließ dann jedoch lediglich den Motor an und verzichtete aufgrund des guten Zustandes des Fahrzeuges auf die weitere Probefahrt. Anschließend verließ er das Fahrzeug, ohne jedoch die Handbremse anzuziehen oder einen Gang einzulegen. Im Beisein des Kunden erstellte der Kläger daraufhin den Kaufvertrag für das Fahrzeug.
Kurz darauf setzte sich das Fahrzeug selbstständig in Bewegung und rollte auf einen einige Meter vor ihm stehenden PKW, welcher wiederum auf ein anderes Fahrzeug aufgeschoben wurde. Zu diesem Zeitpunkt war jedenfalls hinten am Fahrzeug kein Kennzeichen angebracht.
Zwischen den Parteien waren die "Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung" (AKB) sowie die Sonderbedingungen zur Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk (im Folgenden "KfzSBHH") vereinbart.
Der Kläger trug vor, zum Zeitpunkt der Besichtigung des Fahrzeuges durch den Kunden und zum Zeitpunkt der Ausfertigung des Kaufvertrages hätten sich die roten Kennzeichen sowohl vorne als auch hinten an dem Fahrzeug befunden.
Nachdem der Kunde das Firmengelände verlassen habe, habe der Kläger das hintere rote Kennzeichen vom Fahrzeug entfernt, sei jedoch wegen einer Kundenanfrage nicht mehr dazu gekommen, auch das vordere Kennzeichen zu entfernen. Zum Zeitpunkt des Schadenseintritts sei das rote Kennzeichen also vorne an dem Fahrzeug angebracht gewesen.
Die Entscheidung:
Die Klage hatte in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hatte gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung von Forderungen aus § 100 VVG i.V.m. den zwischen den Parteien vereinbarten allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (Ziff. A.1.1.1.b AKB). Es bestand bereits kein Versicherungsschutz für das den Drittschaden verursachende Fahrzeug.
Versicherungsschutz bestand bedingungsgemäß für alle versicherungspflichtigen, nicht zugelassenen Fahrzeuge, wenn sie auf Veranlassung des Klägers mit von der Zulassungsbehörde zugeteilten amtlich abgestempelten roten Kennzeichen oder Kurzzeitkennzeichen deutlich sichtbar versehen sind. Diese Kennzeichen dürfen an den Fahrzeugen nach §§ 16 und 28 FZV bzw. § 29g StVZO a.F., auf die Versicherungsbedingungen Bezug nehmen, nur bei Probe-, Prüfungs- oder Überführungsfahrten im Rahmen der versicherten Betriebsart angebracht werden.
Probefahrten sind gem. § 2 Nr. 23 FZV Fahrten zur Feststellung und zum Nachweis der Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeuges. Hauptziel ist dabei der Test der Funktionsfähigkeit. Das Anlassen des Motors durch den Kaufinteressenten stellte eine Probefahrt dar. Er wollte sich von der Funktionsfähigkeit des Ford Transit überzeugen. Dass zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit aus Sicht des Kaufinteressenten die Fortbewegung des Fahrzeuges nicht geboten schien, änderte nichts an dem Zweck der Ingebrauchnahme. Bei nicht zugelassenen Fahrzeugen begründet - anders als bei zugelassenen Fahrzeugen - allein das deutlich sichtbare Versehen mit beiden roten Kennzeichen den Versicherungsschutz.
Das Tatbestandsmerkmal der Anbringung ist hierfür konstitutiv. Im Kfz-Handel, in dem der Bestand der Fahrzeuge ständig wechselt und eine Einzelversicherung jedes versicherungspflichtigen Fahrzeuges mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre, ist ein alternatives Versicherungskonzept erforderlich. Denn diese Fahrzeuge werden weder von den Zulassungsbehörden noch von der Versicherung jeweils einzeln und individuell erfasst.
Diesem Umstand Rechnung tragend knüpft der Versicherungsschutz für versicherungspflichtige, nicht zugelassene Fahrzeuge in Ziffer A.3.1 KfzSBHH an äußeren, formalen Merkmalen an. Für deren Vorliegen hat der Versicherungsnehmer Sorge zu tragen. Fehlt es in irgendeiner Weise an der ordnungsgemäßen Anbringung der roten Kennzeichen, ist das Fahrzeug ebenso anzusehen, als ob es überhaupt kein Kennzeichen hätte.
Die Versicherungsbedingungen enthielten zwar keinen ausdrücklichen Bezug auf die Befestigung beider Kennzeichen. Allerdings nahmen sie Bezug auf die FZV bzw. die Vorgängervorschriften in der StVZO a.F. (Ziffer I. KfzSBHH). Gemäß § 16 Abs. 5 FZV i.V.m. § 10 Abs. 5 FZV müssen rote Kennzeichen jedoch an der Vorder- und Rückseite des Fahrzeuges angebracht sein.
Im Übrigen wiederspräche es nach Meinung der Richter auch dem Versicherungszweck, die Anbringung nur eines Kennzeichens genügen zu lassen. In diesem Falle könnte der Versicherungsnehmer zwei Versicherungsnehmer zwei Fahrzeuge gleichzeitig mit jeweils einem Kennzeichen versehen und somit das Versicherungsrisiko verdoppeln, denn dann wären zwei Fahrzeuge gleichzeitig versichert. Das würde ersichtlich gegen das vereinbarte Versicherungsrisiko verstoßen.