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Verständige Auslegung des Begriffs der "Kapsel" in den AUB
Der Fall:
Die Klägerin machte Ansprüche aus ihrer bei der Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherung geltend. Sie trug vor, ihr sei beim Training im Fitnessstudio allein aufgrund erhöhter Kraftanstrengung im Sinne der Ziff. 1.4 AUB ein präexistierendes kavernöses Hämangiom, welches eine bedingungsgemäße Kapsel darstelle, zerrissen, sodass sie nunmehr brustabwärts querschnittsgelähmt sei.
Ziff. 1.4 AUB lautet: "Als Unfall gilt auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung sowie während der Ausübung von Sport an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden oder ein Knochen gebrochen wird."
Die Klägerin war der Ansicht, dass jedenfalls für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar sei, dass nach den Bedingungen nur Gelenkkapseln versichert seien. Der Regelungsgehalt der Ziff. 1.4 AUB sei jedenfalls nicht so eindeutig, dass er als frei von Zweifeln im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB angesehen werden könnte.
Die Entscheidung:
Laut OLG Hamm lag kein Fall der Ziff. 1.4 AUB vor, wobei der Vortrag der Klägerin, dass es sich bei einem kavernösen Hämangiom um ein fibrosiertes Gewebe und damit um eine Vermehrung des Bindegewebes, also um eine bindegewebliche Kapsel handelt, als zutreffend unterstellt werden konnte.
Allein aus einer medizinischen Begrifflichkeit "Kapsel" folgt - so das OLG - aus Sicht des durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse auch unter Berücksichtigung seiner Interessen nicht, dass jede "Kapsel" im medizinischen Sinne auch eine Kapsel "an Gliedmaßen oder der Wirbelsäule" im Sinne von Ziff. 1.4 Spiegelstrich 2 Hs. 1 Var. 4 AUB ist und dass im Streitfall eine solche Kapsel "gezerrt oder zerrissen" wurde.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde den Begriff im Gesamtzusammenhang der Ziff. 1.4 AUB verstehen. Dabei werde durch die in den drei Spiegelstichen genannten Schädigungsarten deutlich, dass nicht bei jeder Schädigung jeder - medizinisch noch so bezeichneten - Kapsel ein Unfall fingiert werden solle, sondern eine Gelenkskapsel/eine Umhüllung eines Körperteils an Gliedmaßen oder der Wirbelsäule gezerrt oder gerissen sein müsse. Dies sei hier unstreitig nicht der Fall gewesen.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde dabei jedenfalls nicht auf die Idee kommen, dass durch die Unfallfiktion (mittelbare) Auswirkungen abnormer Kapselbildungen auf "Gliedmaßen" oder die "Wirbelsäule" versichert sein sollen.
Das Wort "an" ("Gliedmaßen" oder der "Wirbelsäule") ist laut OLG nicht rein örtlich in dem Sinne zu verstehen, dass auch eine zufällig in räumlicher Nähe zur Wirbelsäule befindliche Bindegewebskapsel erfasst ist. Es reicht also nicht aus, dass ein Hämangiom (nach dem unterstellten Vortrag der Klägerin eine bindegewebliche Kapsel) an der Wirbelsäule liegt, platzt und das austretende Blut auf das Rückenmark schädigend einwirkt.
Der Anwendungsbereich des § 305c Abs. 2 BGB war damit nicht eröffnet.