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Krankenversicherung: Gefährliches "Vergessen" der Angabe von Vorerkrankungen
Der Fall:
Die Parteien stritten über den Fortbestand eines privaten Krankenversicherungsvertrages, der wie folgt zustande gekommen war:
Im Antragsformular der Beklagten wurde u.a. folgende Gesundheitsfrage gestellt: "Fanden in den letzten drei Jahren Untersuchungen oder Behandlungen statt? Wenn ja, welche, wann, wegen welcher Beschwerden, was wurde festgestellt (auch Pflegebedürftigkeit und Schwangerschaft), wer kann Auskunft geben?"
Der Kläger beantwortete die Frage mit "Ja" und teilte hierzu ergänzend mit: "Routineuntersuchung ohne Befund, behandlungs- und beschwerdefrei".
Der Antrag enthielt unmittelbar über den Gesundheitsfragen sowie auf Seite sieben einen Hinweis auf die Folgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und insbesondere einen Hinweis auf einen möglichen Rücktritt seitens des Versicherers und dessen Voraussetzungen.
Die Parteien schlossen sodann den Versicherungsvertrag ab. Einige Monate später erfolgte eine Tarifumstellung. In dem entsprechenden Antrag gab der Kläger an: "Seit Antragstellung keine gesundheitlichen Änderungen. Eine Routineuntersuchung ohne Befund, behandlungs- und beschwerdefrei".
Wiederum mehrere Monate später holte die Beklagte im Rahmen eines Leistungsfalles Auskünfte zum Gesundheitszustand des Klägers u.a. von dem gesetzlichen Vorversicherer ein. Dieser teilte der Beklagten diverse Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers (u.a. wegen Kreuzschmerzen) mit.
Dem lag Folgendes zugrunde: Der Kläger hatte vor drei Jahren bei einem Verkehrsunfall ein Schleudertrauma erlitten und sich im Anschluss daran wegen Rückenbeschwerden in ärztliche Behandlung, u.a. zu einer kardiologischen Vorsorgeuntersuchung in einem Krankenhaus begeben.
Nun erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag unter Berufung auf vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen. Der Kläger bestritt die Rechtmäßigkeit des Rücktrittes. Er behauptete, er sei lediglich einmal beim Arzt gewesen, der ihm mitgeteilt habe, die Rückenbeschwerden würden sich mit der Zeit geben, ohne dass etwas veranlasst werden müsse.
Die Entscheidung:
Das OLG entschied, dass der Vertrag aufgrund der wirksamen Rücktrittserklärung des Beklagten beendet worden war. Rücktrittsgrund war nach § 19 Abs. 2 VVG die objektive Verletzung der Anzeigeobliegenheit nach § 19 Abs. 1 VVG.
Der Kläger hatte nach § 19 Abs. 1 VVG offenbarungspflichtige Umstände im Antrag, nach denen in Textform gefragt worden war, nicht angeben. Er hatte im Antrag zu Frage A zwar angegeben, dass in den letzten drei Jahren Untersuchungen/Behandlungen stattgefunden hatten.
Auf die Anschlussfrage nach näheren Angaben hierzu ("Art der Beschwerden [...], Diagnosen, Beginn und Ende der Behandlung, verordnete Medikamente und Dosierung, [...] Art der körperlichen und geistigen Defizite, [...] AU Tage, Anschrift von Ärzten [...]") hatte der Kläger indes nur an "Routineuntersuchung ohne Befund, behandlungs- und beschwerdefrei" angegeben.
Diese Angaben waren objektiv falsch. Denn der Kläger hatte eingeräumt, dass er auf Empfehlung der Polizei im Hinblick auf ein mögliches HWS-Trauma nach dem besagten Autounfall bei einem Arzt zur Untersuchung und anschließend auf dessen Anraten noch ein- oder zweimal - in der Folgezeit bei diesem zur Nachuntersuchung gewesen war.
Der Kläger besaß zum Zeitpunkt der Antragsstellung nach Überzeugung des OLG auch die notwendige Kenntnis dieser Umstände. Er konnte sich insbesondere nicht auf ein etwaiges Vergessen der Umstände berufen.
Nach allgemeiner Meinung umfasst § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG trotz des Wortlauts "bekannte Gefahrumstände" im Hinblick auf seinen Sinn und Zweck nicht nur die Obliegenheit zur Anzeige des dem Versicherungsnehmer "aktuell vorhandenen jederzeit verfügbaren Wissens", sondern auch desjenigen Wissens, an das sich der Versicherungsnehmer bei "zumutbarer Anstrengung seines Gedächtnisses" bzw. bei "angemessenen Bemühungen" hätte erinnern können.
Vorliegend konnte sich der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung noch konkret an den Unfall und die nachfolgenden Arztbesuche erinnern. Er hatte darüber - so das Gericht - nur im Moment der Antragstellung nicht nachgedacht oder diesen keine Bedeutung beigemessen. Von einem erheblichen Vergessen konnte deshalb nicht ausgegangen werden.
Bei einem möglichen HWS-Trauma und nach einem Unfall bestehenden Rückenbeschwerden handelte es sich nach Auffassung des Gerichts nicht um eine Bagatelle.
Da der Kläger bezüglich der objektiv falschen Angaben nach Überzeugung des Gerichts vorsätzlich gehandelt hatte, war der Rücktritt des Beklagten auch nicht nach § 19 Abs. 4 Satz 1 VVG ausgeschlossen.
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