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Dienstag, 30.03.2021

Junge Anlegergruppe bedroht Beratergeschäft

Hintergrund:

Die britische Finanzaufsicht Financial Conduct Authority (FCA) reagiert auf das Phänomen mit einer Analyse, die auf einer Befragung von beratungsfrei agierenden Anlegern (self-directed- investors) basiert. Die Befragung fand von August 2020 bis Januar 2021, also mitten in der Pandemie, statt. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass dasselbe auch in Deutschland stattfindet und eine vergleichbare Umfrage weitgehend identische Ergebnisse gebracht hätte.

Anlegerzielgruppen

Gemeinsam ist fast allen befragten Anlegern, dass sie keinen Berater zu benötigen glauben, dass sie relativ jung sind (meist jünger als 40), wenig Anlageerfahrung besitzen, sehr selbstbewusst sind und ihre Spekulationsmotivation oft aus den sozialen Netzwerken beziehen. Sie legen gerne in Hochrisikoprodukte wie Kryptoanlagen und Währungsspekulationen an, aber auch in spekulative Aktien.

Es fehlt aufgrund geringer Erfahrungen an Risikobewusstsein. So kennen viele der Anleger das Risiko bestimmter Anlageformen , z.B. dass sie bei Währungsspekulationen mehr verlieren können, als sie eingesetzt haben, nicht. Sie begreifen ihre Investitionen als Adrenalin-Event ähnlich wie Bungee-Jumping oder Extremsportarten. Das persönliche Erlebnis steht im Vordergrund.

Viele vertrauen darauf, dass ihnen ihr Instinkt sagt, wann sie kaufen oder verkaufen sollen und beachten konventionelle Vorgehensweisen bei der Geldanlage nicht, viele verachten sie sogar. Dennoch ist die Mehrheit der Befragten erstaunlicherweise der Meinung, dass ein hoher Verlust fundamentale Auswirkungen auf ihre Zukunft und ihren Lebensstandard haben würde.

Wer profitiert und wer nicht?

Profiteure sind die Anbieter. Es mag darunter durchaus seriöse Adressen geben. Die Motivation der FCA zu der Befragungsaktion stammt jedoch eher aus ihrer eigenen Warnliste, in die sie Monat für Monat um die hundert neue Namen von Anbietern einträgt, denen sie die weitere Geschäftstätigkeit verbieten musste. Die Warnlisten der deutschen BaFin sind nicht so umfangreich aber oft, bezogen auf einzelne Anbieter, identischen Inhalts. Die Anbieter sind oft international tätig. Viele ihrer Homepages bieten Sprachwahl.

Die Angebote sind auf die Zielgruppe zugeschnitten. In den Homepages flimmert es um die Wette. Zahlenangaben beamen sich in die Höhe. Wer anlegt, bekommt recht schnell ein Erfolgserlebnis serviert, das ihn oft veranlasst, weiteres Geld für Investitionen zu besorgen.

In den Warnlisten der staatlichen Aufsichtsbehörden landen Anbieter allerdings wegen fehlender Einträge in irgendein Firmenregister, wegen fehlender staatlicher Erlaubnis der einzelnen Länder und natürlich auch wegen Klagen von geschädigten Anlegern. Diese klagen, weil z.B. Auszahlungswünsche von angeblichen Riesengewinnen nicht ausgeführt werden. In der Tat wird oft überhaupt nicht angelegt. Die Gewinnnachrichten sind frei erfunden. Das Anlegergeld ist längst auf einem "sicheren" für die Anleger unerreichbaren Konto des Anbieters in einer Geldwäschedestination.

Hat das mit der Pandemie zu tun?

Dass dieses Anlageverhalten etwas mit der Pandemie zu tun hat, ergibt sich, außer aus dem Zeitraum der Befragung, auch aus der Auswertung der Untersuchung und liegt auch nahe. Das Homeoffice verschafft mehr Zeit, die zuvor von Arbeitswegen und Freizeitaktivtäten besetzt war. Außerdem verfügen viele Menschen über mehr freie Liquidität, weil Shopping, Urlaub und Disco ausfallen. Die Umfrage der FCA ergab auch, dass viele der Befragten ihre Anlageaktivitäten während der Pandemie begonnen haben.

Prävention

Die FCA hat fünf Fragen formuliert, die sich Anleger stellen sollten, bevor sie investieren:

 1.

Kann ich mit dem Risikolevel des Produktes leben?

 2.

Habe ich das Produkt, das mir angeboten wurde, vollständig verstanden?

 3.

Bin ich abgesichert, wenn etwas schief geht?

 4.

Ist das angebotene Produkt reguliert?

 5.

Sollte ich auf Finanzberatung zurückgreifen?

Allerdings, diese Fragen klingen so, als ob sie kaum die Aufmerksamkeit der beschriebenen Anlegertypen gewinnen könnten.

Fazit aus Beratersicht

Im Internet tummeln sich derzeit hunderte von betrügerischen Anbietern, die sich erkennbar an deutsche Anleger wenden. Das, was die britische FCA da untersucht hat, ist auch bei uns harte Realität. Und da müssten bei Finanzberatern die Alarmglocken klingeln, denn es geht um eine der wichtigsten Zielgruppen überhaupt: Junge Menschen mit gutem Einkommen. Wenn diese ihr Geld oder sogar noch mehr verspielen, dann fallen sie als Kunden eines Beraters lange oder auf Dauer aus. Bei unseriösen Angeboten kommt hinzu, dass, je nach Ablauf, existenzgefährdende Geldwäschevorwürfe erhoben werden könnten. Dass Kunden, die sich so verhalten, nicht einfach zu beraten sind, ist überdeutlich. Überzeugen können Berater nur durch Kompetenz, auch für sog. "In-Produkte" und kundennahen Service.

Dieser Beitrag wurde erstellt von Helmut Kapferer.

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