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Streit um Teilungsabkommen - Haftungsrechtliche Abgrenzung zwischen Zweit- und Erstunfall
Der Fall:
Die Parteien stritten um eine Forderung aus einem zwischen ihnen geschlossenen Teilungsabkommen. Die Klägerin war eine Berufsgenossenschaft, die Beklagte ein Kfz-Haftpflichtversicherer.
Dem Streit lag ein Verkehrsunfall zugrunde, bei dem zunächst zwei Pkw kollidierten, wobei im Zuge der Kollision ein Laternenmast beschädigt wurde. Die Fahrzeuge wurden abgeschleppt. Zur Unfallstelle wurde auch ein Serviceteammonteur gerufen, dessen anschließendes Handeln den vorliegenden Rechtsstreit auslöste.
Die ursprünglich am Unfall beteiligten Pkw waren währenddessen nicht mehr vor Ort. Der Serviceteammonteur sollte den beim Unfall beschädigten Laternenmast vom Netz nehmen. Hierbei half die Feuerwehr, die den Mast an einem Kran befestigte und abtrennte. Der Monteur wollte den Mast beim Fortheben (durch den Kran) mittels seiner Hände führen und stützen, damit er nicht umherschwenkte und gegebenenfalls Dritte gefährden konnte. Bei diesem Manöver sackte der Mast plötzlich 30 - 40 cm nach unten und riss die Hand des Monteurs mit, der sich dadurch erheblich verletzte. Infolgedessen wurde er teilweise erwerbsunfähig. Dies löste Rentenzahlungen aus.
Die Klägerin versuchte, Regressansprüche nach § 116 SGB X auf der Grundlage eines vereinbarten Teilungsabkommens gegenüber der Beklagten durchzusetzen. Der für den Rechtsstreit maßgebliche Abschnitt dieser Vereinbarung enthielt u.a. folgende Regelung:
"Werden von der Berufsgenossenschaft (Klägerin) aufgrund der Vorschrift des § 116 ff. SGB X Schadenersatzansprüche gegen eine natürliche oder juristische Person erhoben, die gegen die gesetzliche Haftpflicht aus dem der Regressforderung zugrunde liegenden Schadenereignis bei der ... (Beklagten) versichert ist, so verzichtet diese auf die Prüfung der Haftpflichtfrage und beteiligt sich nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen an den Aufwendungen der Berufsgenossenschaft auch in den Fällen, in denen der Schaden nachweislich durch das eigene Verschulden - jedoch Vorsatz ausgenommen - der Verletzten bzw. Getöteten entstanden ist. Die Berufsgenossenschaft verzichtet auf weitergehende Forderungen auch dann, wenn der Schaden nachweisbar in vollem Umfang durch das Verschulden des Versicherten entstanden ist. Für die Anwendung des Teilungsabkommens gelten die folgenden Voraussetzungen: Im Bereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadenereignis und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs im Sinne der Rechtsprechung des BGH bestehen ...".
Die Klägerin war der Ansicht, das Teilungsabkommen sei anwendbar, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadenereignis und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeuges bestehe. Die Beklagte sah das anders.
Die Entscheidung:
Nach Meinung des OLG fehlte es bereits an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Schadenereignis und dem Gebrauch des Kfz im Sinne der Rechtsprechung des BGH. Es treffe zwar zu, dass sich der im Streit stehende Vorfall in einem - rein naturwissenschaftlich betrachtet - kausalen Zusammenhang mit dem vorangehenden Verkehrsunfall befunden habe. Das allein genüge aber nicht, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Schadenereignis und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeuges im Sinne der Rechtsprechung des BGH zu begründen, was nach dem Teilungsabkommen aber für eine Inanspruchnahme der Beklagten vorauszusetzen wäre.
Für die haftungsrechtliche Würdigung derartiger Fallgestaltungen hat die Rechtsprechung des BGH Beurteilungsgrundsätze entwickelt. Danach kann, wenn ein Schaden zwar bei rein naturwissenschaftlicher Betrachtung mit der Handlung des Schädigers in einem kausalen Zusammenhang steht, dieser Schaden jedoch entscheidend durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten einer anderen Person ausgelöst worden ist, die Grenze überschritten sein, bis zu der dem Erstschädiger der Zweiteingriff und dessen Auswirkungen als haftungsausfüllender Folgeschaden seines Verhaltens zugerechnet werden können. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten.
Hat sich aus dieser Sicht im Zweiteingriff nicht mehr das Schadenrisiko des Ersteingriffes verwirklicht, war dieses Risiko vielmehr schon gänzlich abgeklungen und besteht deshalb zwischen beiden Eingriffen bei wertender Betrachtung nur ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang, dann kann vom Erstschädiger billigerweise nicht verlangt werden, gegenüber dem Geschädigten auch für die Folgen des Zweiteingriffes einstehen zu müssen.
Entscheidend kommt es darauf an, wo die Grenze des Gebrauchs eines Pkw zu ziehen ist.
Die Bergungsarbeiten des bei dem Unfall beschädigen Laternenmastes, bei denen sich der Versicherte verletzte, hatten hier mit dem Gebrauch oder der Benutzung des Kfz selbst nichts zu tun. Der Schaden resultierte auch nicht aus einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung eines der am Unfall beteiligten Pkw, die sich im Bergungsvorgang "aktivierte", realisierte, fortwirkte oder nur mitursächlich war.
Der dabei eingetretene Schaden war daher nicht von der im Streit stehenden Regelung im Teilungsabkommen erfasst. Sonst wären - so das OLG - sämtliche Bergungsarbeiten nach einem Verkehrsunfall, die z.B. auf den Autobahnen ständig stattfinden, manchmal noch Tage nach dem Unfallgeschehen, dem Kfz-Haftpflichtversicherer zuzuweisen.